Yin und Yang der Lieferkette

Perspektiven von Lieferant und Auftraggeber

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Nachbericht zum Herbsttreffen des Managerinnen-Netzwerks am 8. November 2024 im DECHEMA-Haus

Pandemie, Klimawandel, geopolitische Entwicklungen – wie vulnerabel unsere Lieferketten sind, ist in den letzten Jahren auch der breiten Öffentlichkeit deutlich geworden. Das Instrumentarium, um dieser Herausforderung zu begegnen, ist breit gefächert und reicht von In- und Outsourcing bis zu Einkaufskooperationen.  Beim Herbsttreffen des Managerinnen-Netzwerks in den Life Sciences der DECHEMA gewährten die Referent:innen Einblicke, wie ihre Unternehmen den Herausforderungen begegnen.

Rund 40 Teilnehmerinnen hatten sich eingefunden, um den Impulsvorträgen zu folgen und über die verschiedenen Aspekte des „Yin und Yang der Lieferkette“ intensiv zu diskutieren. Dabei kamen unterschiedliche Perspektiven zu Wort, sowohl hinsichtlich der Rolle als auch der Größe der Unternehmen. So ergab sich am Ende ein facettenreiches Gesamtbild.

Die Diskussion um die Lieferketten findet nicht im luftleeren Raum statt. Globale Pharmalieferketten sind im Wandel, die Rolle der einzelnen Produktionsländer, besonders China, ändert sich vom preisgetrieben Zulieferer zum echten Innovationsstandort. Solche Trends zu erkennen und in die eigene Strategie aufzunehmen und dabei das richtige Verhältnis zwischen Sicherheit und Chancen zu wahren, ist eine Herausforderung, der sich alle Unternehmen stellen müssen. Dazu kommen wachsende ESG-Anforderungen, die nicht nur die eigene Produktion, sondern über Scope 2 und 3 die gesamte Lieferkette betreffen. Zwar unterliegen kleine Unternehmen nicht dem Lieferkettengesetz, als Zulieferer von berichtspflichtigen Unternehmen müssen sie aber die gleichen Reporting-Anforderungen erfüllen wie diese. Das treibt, wie die Diskussion zeigte, viele KMUs um.

Um die Hoheit über die Lieferkette selbst zu behalten und Lieferengpässe zu vermeiden, ist Insourcing kritischer Komponenten eine mögliche Strategie. Neben der Versorgungssicherung kann es auch Vorteile bei der Qualitätssicherung bieten, und kritisches Know-How bleibt im Unternehmen bzw. wird dort ausgebaut. Auch Effizienzgewinne sind möglich. Doch die praktische Umsetzung ist nicht ganz einfach – von der Frage, wer bis zum eigenen Produktionsstart liefert und ggf. auch Verzögerungen im Projekt abfängt, über den Aufbau der Gebäude- und Anlageninfrastruktur bis zum Aufbau der neuen Lieferbeziehungen für die neu benötigten Rohstoffe. Eine gute Projektplanung kann Risiken abfangen, ein gewisses Improvisationsvermögen ist aber allemal hilfreich.

Das Gegenstück – Outsourcing von einzelnen Produktionsschritten – kann aber ebenfalls vorteilhaft sein. Taktisches Outsourcing dient vor allem dazu, die Abhängigkeit von einem einzelnen Supplier zu erhöhen und Lieferengpässe zu vermeiden. Strategisches Outsourcing setzen Unternehmen ein, um sich auf ihre Kernkompetenzen fokussieren zu können. Es bietet gleichzeitig mehr Planungssicherheit für beide Seiten. Gerade im stark regulierten Pharma-Umfeld mit wachsenden Compliance-Anforderungen gilt es jedoch, die Supplier-Basis nicht zu groß werden zu lassen; ein effizientes Management ist sonst nicht mehr möglich.

Wie sieht aber das Outsourcing „von der anderen Seite“ aus, sprich aus Sicht des Unternehmens, dass die entsprechenden Aufgaben übernimmt? Erfolgsfaktoren aus dieser Perspektive sind Netzwerke, Synergien und etablierte Prozesse bei der „Zielfirma“. Für sie ist außerdem nicht nur Supplier-Management wichtig, sondern auch der Umgang mit ihren Kunden und deren Erwartungen. Die können je nach Unternehmensgröße und -alter erheblich variieren – Faktoren, auf die man sich als Zulieferer einstellen muss.

Gerade für kleine Unternehmen, gleich, an welcher Stelle der Supply Chain sie angesiedelt sind, ist der eigene Einkauf oft eine Herausforderung. Die Recherche nach möglichen Lieferanten und Vertragsverhandlungen sind aufwändig, und als KMU verfügt man nicht über die Verhandlungsmacht, besonders günstige Konditionen zu kommen. Hier bieten Einkaufskooperationen Abhilfe, ob regional oder über die großen Industrieverbände wie den VCI und seine Fachverbände. Sie übernehmen die Recherche, schaffen Transparenz und bieten zuverlässige und direkte Kontakte zu Lieferanten unterschiedlichster Produkte und Dienstleistungen.

Bei allen Unterschieden zwischen den Anforderungen der Unternehmen ist es klar, dass es keine Patentlösungen gibt. Die Referent:innen stellten dar, wie ihre jeweiligen Firmen individuelle Konzepte entwickeln und welche Entscheidungsparameter ausschlaggebend sind. Ein herzlicher Dank für diese Einblicke an Olga Suckau und Dirk Schulz von EKF Diagnostics, Manja Böhme und Kerstin Korn von Biotype, Tanja Velmans von Novartis, Ruirui Zong-Rühe von Roland Berger und Gisa Omlor vom Verband der Chemischen Industrie e.V.! Unerwartet einstimmig hoben alle Referent:innen die Bedeutung vermeintlich weicher Faktoren wie proaktives Netzwerken, transparente Kommunikation, gutes Beziehungsmanagement und die Pflege persönlicher Kontakte als entscheidende Erfolgsindikatoren hervor.  Auch wenn das SCM-Thema eher technisch, prozessual und vergleichsweise spröde anmutet, so boten die Vorträge auch  für die Teilnehmerinnen, die nicht selbst unmittelbar in Supply-Chain-Entscheidungen involviert sind, viele Impulse und „food for thought“ für Diskussionen und Pausen. Selbstverständlich wurde die Gelegenheit auch zum intensiven Netzwerken jenseits der konkreten Fragestellung genutzt.

Und eine gute Nachricht zum Abschluss: Die Supply Chain des Managerinnen-Netzwerks ist prall gefüllt; die nächsten Termine stehen bereits fest.

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Agenda

10:00 Uhr - Begrüßung und Vorstellung

10:45 Uhr - Impulsvorträge aus der Praxis

Moderation / Diskussion: Susanne Simon / Anna-Katharina Heide

  • EKF - Wir sorgen für die nationale Blutversorgung: Von außen nach innen: Prozess-Outsourcing und seine Grenzen
    Olga Suckau, COO/ Geschäftsführerin EKF Diagnostics
  • EKF - Wir sorgen für die nationale Blutversorgung! Inhouse-Produktion: Die Kontrolle zurückgewinnen!
    Dirk Schulz, Managing Director EKF Diagnostics
  • Balanceakt: BIOTYPE als CDMO – Zwischen unklaren Prognosen, Liefersicherheit und anspruchsvollen Produktspezifikationen
    Manja Böhme, CCO Biotype
  • Von Herausforderungen und Chancen: Einblicke eines mittelständischen Einkäufers in die Lieferantenlandschaft
    Kerstin Korn, COO Biotype
  • Outsourcing in der Pharmaentwicklung: Chancen und Risiken von globalen und lokalen Partnerschaften“
    Tanja Velmans, Director Portfolio & Strategy Management Analytical Development Novartis

12:20 Uhr - Diskussion

13:00 Uhr - Imbiss & Gruppenfoto

14:00 Uhr - Fokus Lösungsansätze

Moderation / Diskussion: Helge Lubenow/ Susanne Simon

  • Supply Chain Resilienz und ESG Anforderungen – Die nächsten Herausforderungen oder Chancen?
    Ruirui Zong-Ruehe, Partner Roland Berger GmbH
  • Preis- und Servicevorteile beim Einkauf von Produkten und Dienstleistungen realisieren – ein exklusives Angebot für Mitglieder des VCI und seiner Fachverbände.
    Gisa Omlor, Leiterin strategische Einkaufskooperationen und Mittelstandbeauftragte, Verband der Chemischen Industrie e.V.

15:00 Uhr -  Diskussion

15:45 Uhr -  Wrap-up, Ausblick, Verabschiedung