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KI in Biotech ist kein leerer Hype – wenn man sie richtig einsetzt. Was dieses „richtig“ bedeutet und welche Möglichkeiten KI bis hin zu ganz neuen Geschäftsmodellen eröffnen kann, war Thema des Herbsttreffens des Managerinnen-Netzwerks in den Life Sciences.
Dass das Thema einen Nerv getroffen hat, zeigten schon die rekordverdächtigen Teilnehmerzahlen - für ein Format, das bewusst auf intensiven Austausch und engagierte Diskussion ausgelegt ist, alles andere als selbstverständlich.: Über 50 Frauen aus Life Science-, Biotechnologie- und Medizintechnik-Unternehmen und -Organisationen waren dieses Mal in Frankfurt versammelt.
Schon am Vortag hatte ein großer Teil die Möglichkeit genutzt, im Rahmen eines Workshops mehr über „AI Prompting“ zu erfahren. Sagt man der KI „danke“? Was macht man mit der ersten Antwort, wie bringe ich die KI dazu, präzisere oder besser „durchdachte“ Ergebnisse zu liefern? Wie stelle ich fest, ob sie nicht halluziniert? Wie fordere ich KI richtig heraus? Das alles und mehr vermittelte Valérie Soulier, 2C4P, den Teilnehmerinnen und legte damit den ersten Grundstein für die „richtige“ Nutzung von KI.
Noch mehr Hintergründe dazu lieferte sie dann im Rahmen des Programms am 7.11.2025, und sie räumte auch mit falschen Vorstellungen auf. KI sollte nicht eingesetzt werden, um Menschen zu ersetzen; sie kann die menschliche Arbeit aber bereichern und verbessern. Damit das gelingt, muss man sich zum einen über den Zweck im Klaren sein, der mit KI erreicht werden soll. Das reicht von einer einfachen Automatisierung von Vorgängen über AI-gesteuerte Workflows bis zur Orchestrierung von Multi-Agent-AI-Systemen. Und man muss zweitens die Menschen mitnehmen: Die eigenen Mitarbeitenden müssen Nutzen und Grenzen der KI verstehen und lernen, auch kritisch mit der KI umzugehen. Aber auch Kunden haben ein Recht auf Transparenz, sonst geht schnell Vertrauen verloren.

Wenn man diese Rahmenbedingungen beachtet, birgt KI in den Life Sciences enorme Potenziale: Anna Heide, ambidexIP, nannte in ihrer Einführung Wachstumsraten von 40%. Vor allem in der Proteinstrukturvorhersage, Drug Discovery und Wirkstoffdesign, Präzisionsmedizin und Bioinformatik eröffnet die KI völlig neue Wege. Wie diese beschritten werden können, zeigten die weiteren Referent:innen in ihren Vorträgen anhand konkreter Cases. Kristin Reiche vom Fraunhofer IZI stellte den „virtuellen Patientenzwilling“ vor. Ähnlich wie der digitale Zwilling bei Anlagen bildet er anhand von Daten die Vorgänge im Menschen ab – allerdings ist das natürlich deutlich komplexer. Deshalb fokussiert der virtuelle Patientenzwilling auf bestimmte Parameter, Krankheitsbilder bzw. Wirkung von Wirkstoffen oder Pharmazeutika.
Die Grundlage dafür bilden -omics-Daten. Noch ist der virtuelle Patientenzwilling nur eine Vision, doch wenn er einmal Wirklichkeit ist, erlaubt er nicht nur personalisierte Therapien, sondern auf Basis von virtuelle Patienten-Kollektiven auch viele neue Einsichten über Wirkungsweisen und Ansatzpunkte für Therapeutika.
Nan Fang, Singleron Biotechnologies GmbH, warf einen Blick auf den globalen Kontext beim Einsatz von KI in der Präzisionsmedizin. Dort können „Virtual Drugs“ anhand von Einzelzelldaten entwickelt werden als Grundlage für die Medikamentenentwicklung. Betrachtet man Parameter wie Datenverfügbarkeit, Datenqualität, Zugang zu Daten, Datensicherheit u.a., unterscheiden sich Länder und Regionen erheblich voneinander. Während China seine Daten als echtes Asset sieht und den Zugang auf nationale Akteure beschränkt, dann aber sehr viele Daten ungehindert verfügbar sind, sind die Daten in Deutschland und Europa stark fragmentiert und mit hohen Zugangshürden belegt.
Florian Böhl, Evonik AG, stellte vor, wie sich neue Geschäftsmodelle vollständig auf KI aufbauen lassen – für kapitalintensive Unternehmen wie Chemieproduzenten ein attraktives zweites Standbein. Seine Abteilung hat eine Plattform entwickelt, die anhand epigenetischer Daten Rückschlüsse z.B. auf die geographische Herkunft von Lebensmitteln oder die Unterscheidung „Bio“-/Nicht-Bio-Produktion erlaubt. Aber auch die Früherkennung verschiedener Krebsarten oder entzündlicher Erkrankungen wird über diese Methoden möglich. Erste generalistische Zellkulturmodelle erlauben die Vorhersage von bis zu 60 Parametern.
Auch das kompetente und resonanzstarke Auditorium hat mit seinen Fragen, Beiträgen und der offenen Diskussion maßgeblich zum Gelingen und zur inhaltlichen Wertigkeit der Veranstaltung beigetragen.
KI in den Life Sciences ist also bei weitem keine Blase voller leerer Versprechungen, sondern ein ernstzunehmendes Werkzeug, das allerdings kreativ und im richtigen Kontext eingesetzt werden will.
Wer darüber noch mehr erfahren möchte, hat die Gelegenheit bei der ersten Webinar-Reihe des Managerinnen-Netzwerks im Rahmen des neuen Formats „DECHEMA im Dialog“. Los geht es am 9. Dezember 2025; alle Termine und Themen finden Sie unter ###Link###. Die Teilnahme ist kostenfrei – wir freuen uns auf Sie!
Einführung in den Themenkomplex KI
Anna Katharina Heide, amidexIP
Ist Ihr KMU bereit für KI? So bleiben Sie wettbewerbsfähig
Valérie Soulier, 2C4P
Digitale Zwillinge für Lebende Arzneimittel
Kristin Reiche, Fraunhofer IZI
Die Rolle künstlicher Intelligenz in der Präzisionsmedizin
Nan Fang, Singleron Biotechnologies GmbH
Data Driven Business - es braucht mehr Produkte
Florian Böhl, Evonik Operations GmbH