ESG – betrifft mich das überhaupt? Die Frage haben sich sicher einige gestellt, ehe sie sich zum Frühjahrstreffen des Managerinnen-Netzwerks in den Life Sciences angemeldet haben. „Environmental, social and corporate governance“ wird häufig wahrgenommen als Thema, das in einer Stabsstelle oder speziellen Abteilung gut aufgehoben ist. Dabei kann auch eine Forscherin, Business Developerin oder Personalerin schnell damit konfrontiert sein. Und eigentlich ist das nicht überraschend, denn gelebtes ESG heißt auch, dass alle Unternehmensebenen und -funktionen mitmachen.
Dass die rund 40 Teilnehmerinnen direkt in das Thema eintauchen konnten, dafür sorgte die Promega GmbH nicht nur mit ihrer Gastfreundschaft, sondern auch dem Ambiente. Denn das Firmengebäude in Walldorf ist begehbare Nachhaltigkeit. Energieeffizient, aus lokalen Materialien, mit einem ausgefeilten und energiesparenden Wasser- und Wärmemanagement ist es zugleich offen und flexibel – ein ganz besonderer Ort, den die Teilnehmerinnen beim Auftaktrundgang erleben durften.
Auch im täglichen Geschäft strebt die Promega eine Vorreiterrolle bei ESG an, wie Geschäftsführer Dr. Hans-Joachim Müller erläuterte. Das betrifft für den Standort Walldorf vor allem logistische Fragen: Wie können Kundenbestellungen gebündelt oder über innovative Distributionssysteme Verpackungen und Verkehrswege minimiert werden?
Dafür müssen jedoch andere Stakeholder eingebunden werden, wie Regional Sales Manager Axel Johann zeigte. Denn wenn die Intralogistik des Kunden Einzelverpackungen verlangt oder die Finanzbuchhaltung ein Vor-Ort-Bevorratungssystem nicht händeln kann, muss sich der Supplier darauf einstellen. Andererseits ist die Kundenanforderung „Nachhaltigkeit“ bei solchen Prozessen nur mit Kundenbeteiligung umsetzbar.
Und der Kunde hat häufig einen anderen Blick, wie der Vortrag von Daniela Weber vom BioRN Lab Sustainability Team zeigte. Beim Einkauf für akademische Labore spielen viele Kriterien eine Rolle – Nachhaltigkeit ist (nur) eines davon. Gleichzeitig wird die eigene Rolle leicht unterschätzt: Was kann der Kunde überhaupt tun, außer erneuerbaren Strom einzukaufen und vielleicht die Freezer-Temperatur anzupassen?
Transparenz spielt deshalb eine entscheidende Rolle. Online-Kataloge, die nachhaltige Produkte kenntlich machen oder überhaupt nur solche listen, sind dafür besser geeignet als Label. Andere wichtige Handlungsfelder sind der Transport, das Downscaling bei den Versuchen, aber auch innovative Laborgeräte, die auf Einweg-Teile weitgehend verzichten.
Viele Unternehmen machen darüber hinaus die Erfahrung, dass ihre Kunden und Supplier Wert auf Nachhaltigkeit legen, darunter aber sehr unterschiedliche Dinge verstehen. So existieren eine Vielzahl von Fragebögen oder inzwischen auch Portalen, in denen in unterschiedlichster Struktur Informationen abgefragt werden.
Das stellt besonders kleine Unternehmen schnell vor hohe Hürden. Der wichtigste Hinweis dazu kam von Cornelia Frentz, Director Governance and Sustainable Investing, beim European Circular Bioeconomy Fund: Man muss seine Lieferketten kennen, auch als kleines und/oder sehr junges Unternehmen.
Ansonsten hilft nur der Dialog mit den Partnern, die die Informationen verlangen – eine standardisierte Abfrage oder Bagatellgrenzen gibt es zumindest bisher nicht. Denn über das Lieferkettengesetz sind auch Unternehmen, die eigentlich nicht berichtspflichtig sind, als Lieferanten aufgefordert, die entsprechenden Informationen bereitzustellen.
Erschwerend kommt dazu, dass die Anforderungen nach wie vor im Fluss sind und Veränderungen unterliegen. Das zeigte Sandra Wagener von der AG Nachhaltigkeit des VdGH an einigen Beispielen. So sind zukünftig allgemeine Aussagen wie „umweltfreundlich“ nicht mehr zulässig, und die Vielzahl an unübersichtlichen Labels soll reduziert werden.
Und dann kommen noch die politischen Wendungen hinzu, in der Prioritätensetzung von Unternehmen ebenso wie auf der ganz hohen Ebene. Zum Zeitpunkt der Veranstaltung berichteten die ersten Unternehmen darüber, dass sie wegen ihrer Nachhaltigkeits- und Diversity-Strategien von US-amerikanischen Kunden ausgelistet wurden. Während dieser Bericht entsteht, verschicken US-Botschaften Briefe an europäische Unternehmen mit der Aufforderung, ihre Diversity-Aktivitäten einzustellen. Welche Auswirkungen diese 180°-Wende jenseits des Atlantiks in Europa auf Unternehmen haben wird, ist derzeit noch nicht abzusehen. Um so wichtiger ist es, zu zeigen, dass Nachhaltigkeit keine fixe Idee oder bürokratische Monster ist, sondern im Sinne unserer Gesellschaft und unserer Zukunft ein „Muss“ – am Ende tragen Klimaschutz, eine gute Umwelt und Gleichberechtigung zur Resilienz und zur Zukunftsfähigkeit von Unternehmen bei. Nicht nur deshalb lohnt es sich, sich dafür weiterhin mit Nachdruck einzusetzen.
Wen betrifft ESG also? Alle, das ist nach diesem mit Informationen und Diskussionen vollgepackten Tag die kurze und zutreffende Antwort. Das Thema wird uns sicher auch im Netzwerk weiter beschäftigen. Ein ganz herzlicher Dank geht noch einmal an die Promega GmbH und besonders an Anette Leue, die diese Veranstaltung möglich gemacht und maßgeblich gestaltet hat, und an alle, die mit Vorträgen und Diskussionsbeiträgen dazu beigetragen haben, dass die Teilnehmerinnen viele neue Impulse mitnehmen konnten.
9.30 – 10.00 Uhr
Registrierung am Empfang, Networking
10.00 - 10.15 Uhr
Begrüßung und Vorstellung
10.15 - 11.00 Uhr
Promega stellt sich vor: Rundgang durch den Standort Walldorf
11.00 - 11.20 Uhr
Kaffeepause
11.20 - 12.30 Uhr
Die Nachhaltigkeits-/ESG-Challenge: Was Kunden wünschen und Unternehmen fordert
Pharma- und Biotechunternehmen: Erwartungen zur Nachhaltigkeit/ESG-Umsetzung an die Lieferanten.
Axel Johann, Regional Sales Manager, Industry, Promega GmbH
Nachhaltigkeit/ESG- Anforderungen aus Akademischen Laboren an ihre Lieferanten
Daniela Weber, BioRN Lab Sustainability Team
Anforderungen aus Investoren-Sicht
Cornelia Frentz, Director Governance and Sustainable Investing, ECBF
Green Washing: Was bedeutet die USP, GCPD Directive für die Unternehmen?
Sandra Wagener, VDGH, AG Nachhaltigkeit
12.40 – 13.30 Uhr
Food for Brain: Netzwerken bei Fingerfood
13.30 - 15.00 Uhr
Chancen und Risiken in der Marktpositionierung: Green Marketing vs Green Washing
Green Marketing: Was zählt wirklich beim Kunden?
interaktiver Austausch unter den Teilnehmenden
Paneldiskussion: Chancen und Risiken von ESG- Anforderungen/Green Marketing/Green Washing
alle Referentinnen, Moderation Helge Lubenow, agos consulting
15:00 - 15:30 Uhr
Ausblick und Verabschiedung